Der eine oder die andere mag sich schon einmal gefragt haben, was „Olleroh“ eigentlich bedeuten soll.
In einer schönen Reportage in der Ausgabe 11/2021 des Straßenmagazins „bodo“ ist Wolfgang Kienast dieser Frage nachgegangen.
Der Heimatforscher Fritz Barich hatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Schrift auf ein Areal namens „Altenrad“ oder „Altenrod“ in Marten hingewiesen. Im Urkataster von 1826/27 trägt das Gebiet den Namen „Altenrath“. Auch heute gibt es in Marten noch die „Altenrathstraße“, die in Richtung des Olleroh-Wäldchens führt.
Hedwig Niederstebruch hatte in einer an der Padagogischen Akademie Dortmund verfassten Examensarbeit 1954 vermutet, dass im Gebiet des Olleroh ein Ältestenrat abgehalten wurde. Kienast vertritt jedoch eine andere Auffassung:
Seiner Ansicht nach leitet sich „Olleroh“ vom heute noch gebräuchlichen Wort „oll“ für „alt“ ab. Die Nachsilben „roth“, „roh“, „rod“, „rad“ oder „rath“, die es in vielen westfälischen Ortsnamen gibt, verweisen dort auf einen gerodeten Wald. Insoweit sind „Olleroh“ und „Altenrath“ bedeutungsgleich und stehen für „alte Rodung“.
Schon im Urkataster von 1827 ist im Gebiet des Olleroh ein Wald eingezeichnet, der Friedhof entstand aber erst später. Heute ist der Olleroh ein Landschaftsschutzgebiet und noch immer gibt es im Bereich des mittlerweile außerdiestgestellten und entwidmeten Friedhofs einige, teilweise sehr eigentümliche Grabmale.
Der alte evangelische Martener Friedhof im Olleroh (oder „Marten-Nord“) am nördlichen Rand des Ortsteils existiert erst seit 1884. Dies ist nicht verwunderlich, weil es bis ins 19. Jahrhundert in Marten keine eigene Kirche gab und die Friedhöfe traditionell immer bei den Kirchen lagen.
Das älteste den Friedhofsbetrieben der Stadt Dortmund vorliegende Bestattungsbuch für den Friedhof Marten-Nord wurde von Pastor Wilhelm Klein geführt und es beginnt am 22.11.1884.
Die Dortmunder Zeitung vom 26.11.1884 berichtete, dass der neue Totenhof in Marten von Pfarrer Klein im Beisein von vielen Gästen, darunter der Ehrenamtmann des Amtes Lütgendortmund Herr Deusemann, feierlich am Nachmittag des 22. November 1884 eingeweiht worden war. Dem Artikel zu folge wurden dort am gleichen Tage im Anschluss an die Einweihung des Friedhofes drei Kinder beerdigt.
Warum es ausgerechnet 1884 zur Gründung des Friedhofs kam, ist mir nicht ganz klar.
Natürlich hängt seine Errichtung mit der Gründung der evangelischen Gemeinde Martens und deren schrittweisen Abtrennung von Lütgendortmund zusammen. Die Gemeinde bestand wohl seit 1881. Der dann zuständige Pfarrer hielt Gottesdienste zunächst in der evangelischen Schule, ab 1886 dann in der Schulkapelle ab. Die Auspfarrung von Lütgendortmund erfolgte erst viel später im Jahre 1893.
Ein möglicher Anlass für die Gründung könnte gewesen sein, dass neben dem starken Bevölkerungswachstum – die Einwohnerzahl in Marten war von 345 im Jahre 1818 auf 3.366 im Jahre 1885 gestiegenen – zu dieser Zeit in Marten tödliche Kinderkrankheiten grassierten, neben Scharlach und Röteln hauptsächlich die Masern. Die Eltern der verstorbenen Kinder waren vielleicht nicht länger gewillt, ihre Kinder weit entfernt in Lütgendortmund begraben zu müssen. Auch hinsichtlich der Verbreitung der Krankheiten war es sicherlich sinnvoller, die Verstorbenen in der Nähe bestatten zu können.
Die Dortmunder Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang mehrfach über den Ausbruch der Masern, unter anderem in diesem Artikel vom 01.12.1884, in dem auch nochmal der neue Friedhof erwähnt wird:
Der alte Martener Friedhof wurde bereits am 04.09.1980 auf Beschluss des Rats der Stadt Dortmund außer Dienst gestellt. Die letzte Bestattung hatte 1979 stattgefunden.
Es heißt, dass der Friedhof einst eingeebnet werden werden sollte, was Proteste der Martener Bevölkerung nach sich zog. Angeblich wurde der Friedhof gerettet, weil ein Privatmann das Grundstück kaufte. Ob das Tatsachen entspricht, kann ich nicht sagen, scheint mir aber eher unwahrscheinlich.
In seiner Sitzung vom 15.02.2007 hat der Rat der Stadt Dortmund auf Bitten der Bezirksvertretung Lütgendortmund die Entwidmung des ehemaligen Friedhofs beschlossen. Nicht entwidmet wurde das ca. 200 m² große Areal der Kriegsgräber, da §2 des Gräbergesetzes ein dauerhaftes Ruherecht für die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft vorsieht.
1996 wurde das das Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet Marten-Olleroh erklärt (WDPA-ID 555561111), ursprünglich mit einer Fläche von 46,66 ha. Es umfasst heute nicht nur den Olleroh-Friedhof und den angrenzenden Wald, sondern auch Flächen östlich der A45, insgesamt 58,55 ha, vergleiche hierzu auch den Eintrag auf World Database on Protected Areas.
2008 bis 2010 wurde das Gelände des ehemaligen Friedhofs und des angrenzenden Wäldchens mit Mitteln der Bezirksvertretung Lütgendortmund neu gestaltet, mit dem Ziel, aus dem Wäldchen einen abwechslungsreichen Waldpark zu machen. Wege wurden saniert und einige neue Wege angelegt, um die benachbarten Wohngebiete besser anzubinden. Nicht mehr erhaltenswerte Grabeinfassungen wurden entfernt, einige Gehölze auf den ehemaligen Grabflächen wurden gerodet und so weitere Lichtungen geschaffen.
Auch fast vierzig Jahre nach der Außerdienststellung gibt es heute auf dem ehemaligen Friedhof noch eine Reihe von Gräbern, hauptsächlich von bedeutenden Martener Familien. Auch ein Denkmal für die beim Grubenunglück der Zeche Zollern im Mai 1898 verunglückten Bergleute gibt es hier, sowie noch mehrere Kriegsgrabmale.
Alte Martener wissen vielleicht noch, dass es im Gebiet des Olleroh auch einmal einen Sportplatz gab. Dieser lag am nordwestlichen Rand des Gebiets, in der Nähe der Bahntrasse und der Zufahrt vom Bärenbruch.
Der Verein hatte im zweiten Weltkrieg viele Spieler verloren und auf dem Gebiet seiner ehemaligen Sportanlage war ein Barackenlager für Kriegsgefangene errichtet worden. Nach dem Krieg spielte man zunächst auf wechselnden fremden Plätzen.
Unter der Führung von Fritz Schank, dem damaligen Vorsitzenden des Vereins, wurde der Sportplatz im Eigenbau in monatelanger Gemeinschaftsarbeit, mit Beihilfen von Stadt und Land errichtet und im Jahr 1953 in Betrieb genommen.
Die Sportanlage bekam den Namen „Stadion Olleroh“ und diente dem Verein für eine Weile als neue Heimat.
Leider fiel der Platz schon bald danach dem Bau des Autobahnzubringers zur Sauerlandline zum Opfer.
Am südöstlichen Rand des ehemaligen Friedhofs, ungefähr 100 m rechts von den Kriegsgräbern, findet sich ein imposantes, leider schlecht erhaltenes Grabmal.
Am Kopf des Grabmals erkennt man deutlich Schlägel und Eisen, die darauf hindeuten, dass es sich um ein Grabmal für Bergleute handelt.
Leider sind keine weiteren Inschriften erkennbar, die weitere Rückschlüsse auf die hier Begrabenen zulassen würden.
In den „Martener Friedhofs-Geschichten“ in der Ausgabe 5 des „Hexenboten“, schreibt Birgit Miron: „Man hat allerdings die Inschriften mit einer Art Mörtel überschmiert, so, dass man nicht mehr erkennen kann, wer dort begraben liegt.“
Meine Interpretation ist eine andere: Für mich sieht es so aus, als ob in den Vertiefungen ursprünglich Schrifttafeln eingeklebt waren, die sich im Laufe der Zeit gelöst haben und einfach abgefallen sind.
Auf Grund der Größe würde ich sogar vermuten, dass es sich hier, ähnlich dem Grubenunglück-Denkmal, um eine Gedenkstätte für die Opfer eines Bergbau-Unglücks handelt, das dann wahrscheinlich von der Bergbaugesellschaft finanziert wurde. Dies könnte auch die Größe und die aufwändigere Gestaltung (vielleicht waren die ehemals eingelassenen Schrifttafeln aus Marmor) erklären.
Frau Miron schrieb im Hexenboten weiter: „Erst kürzlich bemerkte ich, dass man erneut mit Zement oder Mörtel an dem Stein gearbeitet hat.“ Auch das scheint mir unwahrscheinlich. Ich denke eher, dass der zum Kleben verwendete Mörtel immer weiter verwittert und abfällt, sodass er heute anders aussieht als noch vor einer Weile. Frau Mirons Schlussfolgerung „Wer weiß, welche schlechten Menschen dort bestattet sind, die vergessen werden sollen“ scheint mir dann auch entsprechend weit hergeholt.
Nachtrag 21. Juni 2020:
Ein Besucher meiner Website, der öfters mit dem Rad durch das Olleroh-Wäldchen kommt, berichtete mir, dass es an diesem Grabmal sehr wohl Namenstafeln gegeben habe, diese aber um das Jahr 2000 herum zerschlagen worden seien. Er erinnert sich, dass hier eine Familie Floetmann begraben wurde, ganz links das Grab ihrer Tochter Johanna * 1900, † 1910, die trotz des offensichtlichen Wohlstandes ihrer Eltern wohl nur 10 Jahre alt geworden ist.
Diese Angaben unter Vorbehalt, ich konnte sie bisher nicht überprüfen.
Im südlichen Bereich des ehemaligen Friedhofs befindet sich ein Areal von ca. 200 m² Fläche mit insgesamt elf Kriegsgrabmalen.
Als der Friedhof auf Beschluss des Rates der Stadt Dortmund 2008 entwidmet wurde, wurde der Bereich der Kriegsgräber von der Entwidmung ausgeschlossen. Das Gräbergesetz garantiert den Opfern von Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ein ewiges Ruherecht.
Die hintere Reihe von acht Grabmalen erinnert an Opfer des ersten Weltkriegs, die vorderen drei Gräber sind Opfer des zweiten Weltkriegs.
Nicht auf allen Grabsteinen sind die Inschriften (noch) vollständig. Vordere Reihe:
Heinrich Kramer, * 1871, † 1945
Johanna Müller, * 1890, † 1945
Heinrich und Elfriede Szodrovski, * 1898/1899, † 1945
Dieses Grabmal erinnert an die hier beigesetzten Bergleute, die beim Grubenunglück der Zeche Zollern am 22. Mai 1898 ums Leben kamen. Koordinaten: 51° 30′ 57.1″ N, 7° 22′ 53.5″ E
In der Zeche Zollern I/III in Dortmund-Kirchlinde kam es am 22. Mai 1898 zu einem Grubenbrand, der 46 Tote und 12 Verletzte forderte.
Der Dortmunder Zeitung vom 29. Mai 1898 kann man entnehmen, dass am 25. Mai 1898 von den Verunglückten 20 Katholiken auf dem Friedhof in Kirchlinde beigesetzt wurden, 11 Verunglückte evangelischer Konfession hier in Marten.
Auf der linken und rechten Seite des Obelisken stehen die Namen von insgesamt elf Personen:
Aug(ust) Scheibler
Ludwig Pohlke
Karl Schelte
Rich(ard) Sichelschmidt
Fried(rich) Sichelschmidt
Wilh(elm) Lauffer
Friedr(ich) Kobusch
Hein(rich) Kattenbräuker
Johann Gritzian
Karl Lill
Wilh(elm) Dietzel
Ein Pendant des Grabmals findet sich auf dem Friedhof in Kirchlinde.
Der Dortmunder Zeitung vom 29. Mai 1898 kann man auch entnehmen, dass der hier beigesetzte evangelische Bergmann Karl Schelte versehentlich zunächst in Kirchlinde beigesetzt worden war, während hier stattdessen der katholische Bergmann Heinrich Kortmann beigesetzt wurde. Die Leichen wurden daher exhumiert und auf dem jeweils anderen Friedhof neu beigesetzt.
Der Obelisk ist im Verzeichnis der „Kunst im öffentlichen Raum“ der Stadt Dortmund unter der Nummer 44379-006 eingetragen.
Auf dem alten Friedhof „Marten-Nord“, der schon 1980 außer Dienst gestellt und 2007 entwidmet wurde, finden sich auch heute noch zahlreiche Gräber, auch wenn im Zuge der Sanierungsarbeiten zwischen 2008 und 2010 einige nicht mehr erhaltenswerte Grabstätten entfernt wurden.
Auch ein Denkmal für die im Mai 1898 in der Zeche Zollern verunglückten Bergleute, sowie mehrere Kriegsgräber findet man hier noch.
Beiträge über die einzelen Gräber sollen hier sukzessive ergänzt werden.
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